Geschichte der
Judengemeinde Russ
Die ersten Juden, Holzhändler, haben im Kreis Heydekrug nicht in Heydekrug
(Šilutė) sondern in Russ, der wichtigsten Siedlung im Bezirk am Ende des
19. Jh. angesiedelt. Russ wurde zu dem Ort mit der grössten Zahl
judischer Bewohner. Nachdem man mit dem Holzflossen auf dem Memel
(Nemunas) über Russ begonnen hatte, fanden Juden hier gute Wohn- und
Geschäftsbedingungen.
Der erste im Jahre 1789 erwähnte Jude in Russ war der Schutzjude
Isaac Laser oder Laser Cohn. Er war Kneipenbesitzer und Vermittler von
judischen und russischen Holzhändlern. Im Jahre 1855 wohnten hier schon 33
und im Jahre 1880 sogar 133 Juden.
Nach dem ersten Weltkrieg wuchs die Judengemende in Russ nicht mehr. Auch die
Bedeutung der Ortschaft Russ verringerte sich. Die Bewohnerzahl des Ortes
sank von 3 bis 1,5 tausend, weil wegen Konflikte zwischen Litauen und Polen
das Holzflossen aus Polen auf dem Nemunas eingestellt wurde. In Russ mussten
4 Sägewerke und 2 Holzspeditionsunternehmen stillgelegt werden. Viele
Bewohner von Russ und auch viele andere wurden arbeitslos. Heydekrug
(Šilutė) war zum Bezirkszentrum geworden, so dass der Ort Russ sich
nicht mehr entwickelte. In Heydekrug wuchs die Industrie und die Kultur, die
meisten Investitionen kamen hierher, deshalb kamen auf natürlicher
Weise immer mehr Einwohner, darunter auch Juden aus der Umgebung , auch
Russ, in dieses Zentrum. Man vermutet, dass im Jahre 1920 in Russ 17
Judenfamilien wohnten. Die
Juden von Russ hatten Holzgeschäfte, sie waren
Besitzer von Haldelsunternehmen und Gasthäusern, Kleinhändler und
Handwerker. 1922 sind judische Textil- und Kolonienwarenhändler, ein Bäcker
ein Schuster, ein Schlosser u.a. erwähnt.
Anfang 1939 verliessen Juden massenweise das Memelgebiet, nachdem die Wahlen
in das Landesdirektorium die Nationalsozialistische Partei gewonnen hatte.
Sie zogen aus dem Memelgebiet in die Orte von Žemaitija (Niederlitauen) –
Palanga. Kretinga, Jurbarkas, Tauragė und auch nach Kaunas. Das
Schicksal von Juden in Russ während des zweiten Weltkrieges ist unbekannt.
Man vermutet, dass viele von ihnen im Sommer 1941 in Gargždai, Kretinga,
Palanga, Švėksna, Tauragė, Jurbarkas und in anderen Orten bei Massenvernichtungen
umbgebracht wurden. Ein Teil von Juden wurde in Gettos in Šiauliai und in
Kaunas untergebracht, die im Sommer 1944 aufgelöst wurden. Die meisten
judischen Frauen wurden ins KZ Stutthof und Männer ins KZ Dachau
gebracht. Man
weiss nicht viel vom geistlichen Leben der Juden in Russ. Eine Synagoge und ein Ritualbad wurden
1857 gebaut. Am 1. Januar 1863 gründeten Juden in Russ ihre
eigene Synagogegenmeinde, nachdem sie das Erlaubnis von der Synagogegemeinde Heydekrug
bekommen hatten. In Russ sollte auch der erste judische Friedhof im Kreis entstanden sein. Dafür hatte die Judengemeinde 1837 ein Grundstück an der Pakalnė erworben. Leider konnte der Friedhof wegen der tiefen und regelmässig überschwemmten Stelle nicht benutzt werden. Juden wurden ab 1844 auf dem neuentstandenen judischen Friedhof in Szibben (Žibai) beigesetzt. 1869-1870 hat die judische Gemeinde Russ-Heydekrug ein Grundstück in Barsduhnen (Barzdūnai) für ihren Friedhof erworben, der später der einzige judische Friedhof im Kreis war. Die Synagoge in Russ und der judische Friedhof in Heydekrug wurden während des zweiten Weltkriegs vernichtet. Heutzutage ist der judische Kultur- und Architekturerbe in Russ vergessen, vernachlässigt und unerforscht. |